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HUBERTUS GIEBE _ Der geschliffene Elfenbeinturm

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artist:

Hubertus Giebe

titel:

Garten rot/grün

technique:

Oil on canvas

year:

2001

size:

140.00x140.00

price:

10,000.00 €


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HUBERTUS GIEBE - Der geschliffene Elfenbeinturm -

HUBERTUS GIEBE

Der geschliffene Elfenbeinturm



Freunde, Kollegen, Sammler, Kritiker glauben Hubertus Giebe zu kennen. Aber er lässt sich nicht so leicht einordnen.

Anfang der 70er Jahre begann er mit altmeisterlich lasierenden Naturstudien in der Tradition der neuen Sachlichkeit. Sein "Selbstbildnis mit Mohnblumen“ von 1974 zeigt ihn am Fenster, der Schnittstelle von Außen- und Innenwelt. Sein melancholischer Blick fixiert den Betrachter skeptisch. Diese frühen Bilder signalisieren bereits eine innere Distanz und künden vom Selbstbewusstsein eines einsamen Beobachters und Mahners in der Tradition der neuen Sachlichkeit (Vgl. George Grosz, Selbstbildnis als Mahner, 1928).

Gelangweilt von der gepflegten Peinture des Dresdener Spätimpressionismus, der zum Akademismus geworden war, ließ er sich 1976 exmatrikulieren, um nach Leipzig an die Hochschule für Grafik und Buchkunst wechseln zu können. Dort machte der 1953 in Dohna bei Dresden geborene Künstler 1978 ein externes Diplom, wurde danach für ein Jahr Meisterschüler von Bernhard Heisig, um dann 1979 als Assistent von Günter Horlbeck an die Dresdener Akademie zurückzukehren.

1985 nahm er zusammen mit Angela Hampel, Johannes Heisig, Walter Libuda und Trakia Wendisch am ersten öffentlichen Auftritt junger Neoexpressionisten in der DDR teil: "Expressivität heute - Junge Maler der DDR". Sie sprengten die skeptisch-ironische, sachliche Bildform der sogenannten Leipziger Problembilder. Die uneingelösten Hoffnungen und Versprechungen des Sozialismus drängten an die Bildoberfläche. Dissonante, schrille und laute Farben, Sehnsucht nach Sinnlichkeit, Lebenslust, Aufbruchsstimmung schockierten die Obrigkeit und die Betrachter.

Doch Giebes Gnome, Marionetten, seine Anwendung von Montage und surrealer Kombinatorik, spitzwinkligen Dreieckskompositionen und Überblendungen standen dem Verismus von Otto Dix und den verschachtelten Räumen von Max Beckmann näher als der von "Der Brücke" und den "Fauves" inspirierte Neoexpressionismus in der DDR.

Seine Gemälde der 80er Jahre sind Alptraumbilder, Collagen, gemalt mit der halluzinatorischen Präzision eines James Ensor, in denen sich die öffentlichen und privaten Biographien kreuzen. Im Nachhinein sagt er heute: Ich habe mich nicht mit Politik, sondern „mit dem Menschen und seinen Beziehungsgeflechten“ beschäftigt. Daher kommt sein „Interesse an Literatur, an Poesie, an Film und Presse – am bunten Welttheater.“ (Tradition and Renewal, Oxford 1984)



Seine Bilder sind immer mit intellektueller Verve und Wut im Bauch gemalt. In der Verbindung eines „pictor doctus“ und Sensualisten trifft er sich mit R.B. Kitaj, der eine Ausstellung seiner Londoner Freunde um Lucian Freud, Francis Bacon und Frank Auerbach zum Menschenbild 1976 „The Human Clay“ nannte nach einer Äußerung des Dichters W.H. Auden „To me art’s subject is the human clay“.

Schmerz, Aggressivität blieben als tragische Grundierung auch in seinen rätselhaften Gehäusebildern nach der Wende in den 90er Jahren. Auch wenn er diese Zäsur als Befreiung erlebte, spürte er die traumatische Situation vieler seiner Landsleute, denen buchstäblich der Boden einer zwar ungeliebten, aber vertrauten Lebensordnung plötzlich abhanden gekommen war. Auf dem großen Gemälde „Das Gehäuse“ (2005) rechts vom Eingang zitiert Giebe seine Allegorie des "Malers" von 1993/94: Weinend mit einem dritten Auge begabt, sieht er sich in seinem Kasten bedrängt von seinen eigenen Bildern und Motiven, mit denen er sich zugleich gegen die Außenwelt verbarrikadiert. Der Künstler zieht sich in sein Atelier wie in eine Wagenburg zurück, um Distanz zu den hereinströmenden Bilderfluten zu gewinnen. In der Mitte präsentiert sich der "Der Kopf des Denkers" (1992) als Totenkopf wie Johannes der Täufer auf einem Teller. Ein Mann im langen Mantel mit einer Armbinde (X) schaut nach hinten aus dem Bild heraus. Nur zwei dieser Gehäuse, kistenartige, beklemmende Räume, in denen Giebe seine Figuren verstrebt und verspannt, sind in dieser Ausstellung zu sehen. Statt der Geschichtsallegorien dominieren in den letzten Jahren die klassischen Genres Akt, Landschaft, Stillleben, Portrait im Werk von Hubertus Giebe: Garten- und Parklandschaften, das Wattenmeer in Dangast, Zierkürbisse, Blumenstillleben. Gerade die „einfachsten Dinge sind die schwierigsten“ für den Maler. Hier „entfaltet sich das Seltsame, Befremdliche, Ungeheure unserer Existenz: im schützenden Innen, hinter den Augen.“ (Tradition and Renewal, Oxford 1984)

Nichts von Idylle und Beruhigung wohnt diesen Kunstlandschaften inne. Den nächtlichen Großen Garten (2008), an dessen östlichen Rand Giebe wohnt, verwandelt er zur von Blitzen geisterhaft illuminierten Freilichtbühne eines unsichtbaren Dramas. Wie ein Gespenst steht eine stilisierte Figur im Licht durchfluteten „Sommergarten“. Die Baumkronen im „Garten rot/grün“ verwandeln sich im Herbstlicht in bengalisch leuchtende Rauchschwaden. Der „herbstliche Garten“ stellt sich als gatterartige Barriere dem Besucher in den Weg. Die sandsteinroten Herkulesstatuen werden plötzlich lebendig und erheben drohend ihre Keule über ein breitmäuliges Ungeheuer. Das „Nächtliche Wattenmeer in Dangast“ (2004) zeigt Giebe als trostlose, windgepeitschte Wasserwüste. Das Wasser rollt und stolpert zwischen den messerscharf wie mit dem Lineal gezogenen Geraden von Düne und Ufer, die zangenartig die schäumende Flut einschließen. Informelle Pinselschläge und die scharfen Kanten der Hard Edge Malerei verbinden sich zu einer spannungsgeladenen Komposition.



Das Blumenstillleben einer voluminösen, fleischigen Monstera deliciosa, auch köstliches Fensterblatt genannt, eine Kletterpflanze aus der Familie der Aronstabgewächse streckt die kiemenförmigen Blätter gierig nach dem Betrachter aus.

Die Protagonisten des historischen Dramas, das wie ein Alb auf den Nachgeborenen lastet, haben die Bühne seiner Bilder weitgehend verlassen. Zurück bleiben nur die leeren Kulissen. Die Natur als unheimlicher Projektionsraum ist ein leerer Spiegel der Seele, keine letzte Zuflucht. Sie verweigert Geborgenheit, Schönheit und Sinnhaftigkeit als wolle sie sagen: "Staub und Schatten sind wir". Dieser Lebensmaxime von Horaz folgt das gleichnamige Mappenwerk von Hubertus Giebe mit einem Text von Dieter Hoffmann.

Giebes malerische Mittel sind subtiler, stiller geworden. Er sucht nicht mehr den Schock, um dem Betrachter den Boden unter den Füßen wegzuziehen, um den Panzer der Gleichgültigkeit durch die evokatorische, appellative Kraft seiner Malerei zu brechen. Sein "halluzinanter Blick" (Werner Heldt, 30er Jahre) ist aber ungebrochen. Jedem Gegenstand, ob Blume, Baum, Landschaft entlockt er im Prozess des Malens sein Drama.


Während er seine Mal- und Zeichenkunst unentwegt schärft, damit sie wie ein geschliffener Kristall funkelt und leuchtet, will er zugleich den Elfenbeinturm einer elitären, nur mit sich und ihrer Formenwelt befassten Kunstwelt schleifen, seine Kunst mit dem Leben imprägnieren/sättigen/tränken.


(Dr. Eckhart Gillen zur Ausstellungseröffnung am 20. 3. 2012)

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