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Zeitgenössische Chinesische Kalligraphie

Zeitgenössische Chinesische Kalligraphie



Die Narben des Kosmos

von Ulrike Münter Berliner Zeitung 30. 12. 2008



Schon durchs Fenster der Charlottenburger Raab Galerie wirkt der Sog.

Da ist dieser riesige schwarze Schwung, pupillenförmig, mächtig –

auf einer runden Leinwand. Die Ausstellung „Zeitgenössische

Chinesische Kalligraphie“ zeigt Werke, die das ermüdende Gerede vom

China-Kunst-Hype vergessen lassen.

In abstrakter, kraftstrotzender Tuscheästhetik verbindet Qin Feng, geb.1961,

die Energie des Action Painting mit der ältesten chinesischen Tradition,

der Kalligraphie. Dabei malt er mit Autolack. Die zeichenhaft verschlüsselten

Landschaften Wang Tiandes, geb. 1960, und Xu Bing, Jahrgang 1955,

geben selbst chinesischen Betrachtern Rätsel auf.

Nur vage Rückschlüsse auf ihren Entstehungsort geben zunächst die riesigen

Bergformationen von Qiu Deshu, geb. 1948. Im Katalog erläutert

der Künstler seine seit den 1980er Jahren weiterentwickelte Technik

des „Fissuring“ (dt. Spaltung) folgendermaßen: „Das zerstörerische

Verhalten der Menschen hinterläßt – bildlich gesprochen – Narben auf

dem Kosmos. Selbstverständlich fügt auch die Natur dem Menschen

Narben zu.“ Im chinesischen Weltbild durchdringt ein sphärischer Hauch

den Himmel, die Erde und auch den Menschen. Am Anfang der

chinesischen Malerei steht der Fluss der Tusche. Der Pinsel macht

die kosmische Energie im Tuscheschwung sichtbar. Qiu Deshus Worte

verdeutlichen, daß diese existenzphilosophische Bestimmung der

Tuschemalerei bis heute fortwirkt. Was also im internationalen

Kunstdialog unter „abstrakter Kunst“ subsumiert wird, hat in China

Jahrtausende währende Tradition. Diese Wurzeln hindern die Künstler

aber nicht daran, mit modernsten Materialien zu arbeiten oder sich von

westlichen Kunstströmungen inspirieren zu lassen. Das zeigt sich nirgends

deutlicher als bei den mit geometrischen Formen spielenden Werken von

Hsiao Chin, Jahrgang 1935.

Die in der Raab Galerie ausgebreiteten Bilder reichen zurück bis ins vor-

revolutionäre China. Die Katalogtexte erinnern daran, was es bereits ab

Mitte der 1950er Jahre bedeutete, sich dem internationalen Kulturaustausch zu öffnen:

Künstler wie Hsiao Chin mussten China verlassen. Freie Tuschemalerei

galt unter Mao Zedong als „bürgerlich“, damit „konterrevolutionär“.

Nach einer Phase der Entspannung im Zeichen von Deng Xiaopings

Öffnungspolitik führten 1989 die blutig niedergeschlagenen Demonstrationen

auf dem Platz des Himmlischen Friedens zur erneuten Verschärfung des

Klimas. So wurde dem bis heute in New York lebenden Xu Bing vorgeworfen,

durch seine Verfremdung von Schriftzeichen in der Installation

„Book from the Sky“ (1989/90), die Grundfeste der chinesischen Tradition

anzugreifen. Dass ihm gerade im letzten Jahr eine Professur an der Pekinger

Kunstakademie (CAFA) angeboten wurde, lässt auf einen entspannteren

Umgang mit der chinesischen Avantgarde im eigenen Land hoffen.

Berlin ist nach Peking die zweite Station der tourenden Ausstellung; Boston

und Taipei folgen.

Das Initialerlebnis der Galeristin Ingrid Raab fand allerdings nicht in

China, sondern in Berlin statt: „Es war zunächst schwierig für mich,

zeitgenössische chinesische Kalligraphie ausfindig zu machen. Ich wusste

aber, dass die Kalligraphie einen großen Einfluss auf die internationale

Kunst des 20. Jahrhunderts hatte. 1993 sah ich dann zufällig die Werke

von Qin Feng im Berliner Tacheles und war begeistert. Seine erste

Einzelausstellung in unserer Galerie fand noch im gleichen Jahr statt.

Seitdem vertreten wir ihn. Durch Qin Feng entstand auch der Kontakt zu

chinesischen Kuratoren dieser Ausstellung.

Diesen Sommer zeigte das Museum für Ostasiatische Kunst in Berlin

Dahlem die Ausstellung „Zeichen im Wandel der Zeit. Chinesische

Tuschemalerei der Gegenwart“. Im Zentrum standen dort figurative

Arbeiten. Der Besuch in der Raab Galerie öffnet ein weiteres Fenster nach

China. Der Ausblick zeigt eine zwar menschenleere Landschaft, doch hat

sich in ihre Höhen und Tiefen die Geschichte eines Landes und der

in ihm lebenden Menschen eingeschrieben.



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